July 23, 2015

MACH WAS DU WILLST

Seit letztem Sommer gibt eine einzige Frage, die jedes Mal im Raum steht, wenn sich mehrere Leute aus meiner alten Stufe nach einiger Zeit machen wiedersehen und ich denke, die meisten von euch kennen diese nur zu gut: Und, was machst du jetzt so? Ich glaube kaum, dass sich die Frage groß ändern wird in den nächsten Jahrzehnten, ist halt auch das einzige, was man ehemalige Mitschüler - also die, mit denen man sich immer nur so “ganz gut verstanden hat” - gut fragen kann um ein Gespräch zu starten, was sich nicht nur ums Wetter drehen soll. Ist ja auch eigentlich spannend zu erfahren. Was macht der jetzt? Wofür hat die sich entschieden?

Jetzt ist schon ein Jahr rum, seit dem wir uns (fast) alle auf sämtlichen 18. Geburtstagen gegenseitig versichert haben, dass wir uns für noch gar nichts entscheiden wollen und erstmal reisen, die Welt entdecken wollen und so, aber das ging dann doch so schnell und alle sind von sämtlichen Reisen zurück und stehen wieder hier. Und für die meisten von uns geht das Ganze von vorne los. Gut, ich hab mich mittlerweile entschieden, kaum einer guckt nicht fragend, wenn ich sage, dass ich anfange Liberal Arts and Sciences zu studieren. Kurze Erklärung meinerseits, interdisziplinärer Studiengang, man wählt sich seine Schwerpunkte so zusammen, langsames Nicken des Gesprächspartners und dann die Frage, die jedem gestellt wird, der auf die einleitende (“Was machst du so?”) nicht Jura, Medizin oder BWL antwortet: “Und was machst du dann damit?


Wieso so ein Studiengang? Einer, bei dem mir mein NC nichts nutzt, so wie bei all den anderen, bei den sicheren Studiengängen. Bei denen die Wahrscheinlichkeit, relativ schnell einen relativ gut bezahlten Job zu finden hoch ist. Natürlich gibt es auch noch so viel dazwischen, zwischen diesen beiden Extremen, zwischen den Studiengängen, in denen die Frage nach Sicherheit nicht gestellt wird und denen, wo sie dauernd gestellt wird. Aber ich habe mich nun mal für letzteres entschieden. Nicht, weil ich zu 100% überzeugt bin, dass ich dadurch super erfolgreich werde und ich mir nie selber die Frage stelle. Sondern weil ich (jedenfalls im Moment, und ja, vielleicht sehe ich das ganze in 5 Jahren anders!) überzeugt davon bin, dass es mich niemals glücklich machen würde, in Sicherheit zu sein und gleichzeitig vor Langeweile durchzudrehen.

Ich lese so gerne die kleinen Kurzbiographien, die in Magazinen und Zeitungen manchmal unter dem Text stehen, über den Autor oder Fotografen. Die haben Ethnologie studiert, oder Jura, oder Kunstgeschichte oder Psychologie. Und auf 3 Umwegen sind sie dann irgendwie, irgendwann zum Schreiben gekommen, oder zum Gestalten, oder sonst was. Diese kleinen Biographien inspirieren und zeigen, dass ein direkter Weg, ein sicherer Weg nicht der einzige Weg ist. Und wer weiß, was man auf seinen Umwegen alles erlebt? Und lernt? Auf jeden Fall eine ganze Menge.  


Ich bin mir sicher, dass man immer irgendwie seinen Weg findet, wenn man genug Selbstvertrauen, Begeisterung und vor allem Ehrgeiz hat. Wenn man Spaß hat, an dem was man macht, wenn man kompromissfähig ist und Rückschläge gut einstecken kann. Wenn man sich traut, es zu versuchen und sich durch niemanden unterkriegen lässt. Wer weiß, was sich dann alles so ergibt.

In unserer Gesellschaft werden wir immer wieder aufs Neue zum Perfektionismus gedrängt, in jeder Hinsicht, in allem. Wir sollen alles richtig machen, alles perfekt, den sicheren Weg wählen, den erfolgsversprechenden Weg. Aber das geht einfach nicht immer. Wir sind keine Roboter, die sich Stereotypen anpassen können, wir sind jung und machen Fehler und nehmen Umwege. Und das ist auch total okay.

Was ich sagen will ist nicht, dass wir alle jetzt alle wahllos irgendeinen interessanten Studiengang wählen, Japanologie oder Freie Kunst oder so, und keinen Gedanken an unser Leben in einem Jahr verschwenden sollen, sprich leichtsinnig und naiv durchs Leben wandeln. Sondern dass wir uns trauen, das zu machen, woran wir Spaß haben. Unsere Welt braucht Menschen, die Mut haben und rausstechen aus der breiten Masse. Menschen, die handeln und sich nicht unterkriegen lassen, weil sie etwas verändern, verbessern wollen an unserer Situation. Menschen, die sich nichts von der Gesellschaft vorschreiben lassen und ihren eigenen Weg gehen. 

Ich merke schon, dass wird hier so ein zweiter Teil von meinem anderen kleinen Text darüber, einfach mal zu machen (klick), war nicht direkt so geplant, aber ich wollte mal wieder was schreiben, was loswerden. Und vielleicht auch nochmal ein paar Leute erreichen, die wie so viele von uns Dank unserer nach Perfektion strebenden Gesellschaft Zukunftsängste und Selbstzweifel erleiden, die hin und hergerissen sind zwischen den Erwartungen der anderen und dem eigenen Drang, aus der Reihe zu tanzen und einen anderen, unerwarteten Weg einzuschlagen, bei dem unsere Stärken gefördert werden und wofür wir uns begeistern können. Wir tun uns und unserer Welt keinen Gefallen damit, wenn wir diesen Drang ignorieren auch, wenn die Reaktionen der anderen manchmal das Gegenteil vermuten lassen. Da müssen wir halt durch.

6 comments:

  1. wirklich toller Text! mag die art wie du schreibst sehr :)

    ReplyDelete
  2. Du hast so recht, leztes jahr bin ich auf die Oberstufe gegangen und anders als 90% meiner stufe nicht auf die Oberstufe im Ort gegangen. Die Frage "Und wo gehst du auf die Schule?" und "Warum nicht auf die XY? Dort gehen doch alle hin" sind die klassiker

    xoxo

    ReplyDelete
  3. Schöner Text! :)

    http://ganzbesonders.blogspot.de/

    ReplyDelete
  4. Hey =)
    Ein sehr schöner Text ... ich fühle a sehr mit dir mit. auch wenn ich jetzt ein Studium habe, das mir Spaß macht und ein Hobby, in das ich mich hineinknien kann, treibe ich immer noch Ziellos durch die Gegend und ich empfinde es als sehr blockierend. Aber es gibt zum Glück Zeiten, wo das vorbei geht =)

    LG
    Elisabeth
    http://elisabethgatterburg.blogspot.co.at

    ReplyDelete
  5. toll geschrieben, danke!

    ReplyDelete
  6. Ich befinde mich gerade auch in der "Was soll ich machen?"-Phase und habe mit vielen Menschen darüber gesprochen. Viele Menschen haben mir erzählt, dass sie erst vieles anderes gemacht haben, bevor sie zu ihrer "Berufung" gefunden haben. Meine Cousine hat diesen Weg ebenfalls unabsichtlich gewählt. Sie hat mir auch gesagt, dass ich ein potentieller "Zwei-Richtungen"-Mensch bin, weil ich mir jetzt lieber etwas sicheres aussuchen würde und aber eigentlich etwas anderes machen würde. Wenn ich die vielen anderen Menschen sehe und merke, dass es bei ihnen auch länger gedauert hat IHREN Job zu finden, fühle ich mich sicherer. Auch wenn ich jetzt noch nicht weiß, welcher Beruf es einmal werden wird: Er wird großartig und genau für mich gemacht sein.
    Ich weiß, ich habe jetzt viel über mich gesprochen, aber vielleicht hilft es jemanden, der sich in genau der Phase steckt. Macht auf was ihr jetzt Lust habt, auch wenn es noch nicht DER Job ist. Über Umwege erreicht man immer noch das Ziel! :-)

    ReplyDelete